Endkundinnen und -Kunden als auch Investoren stellen wachsende Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Energieproduktion. Auch der Gesetzgeber fรถrdert und fordert eine Strom- und Wรคrmeversorgung, welche mit den gesteckten Klimazielen vereinbar ist. Heute umfasst der Markt ein breites Spektrum an Technologien, welche die gesamte Wertschรถpfungskette abdecken, von der Energieerzeugung bis hin zur -Speicherung. Die neuen Technologien begรผnstigen dabei die Dekarbonisierung unserer Energieversorgung.
Zudem beobachten wir gerade in der Photovoltaik, wie auch bei der Windkraft und bei Batteriespeichern betrรคchtliche Preissenkungen.
Die sinkenden Preise ermรถglichen es erstmals in der Geschichte der Energieversorung, das Energietrilemma โ also das Abwรคgen zwischen wirtschaftlichen und รถkologischen Aspekten sowie der Gewรคhrleistung der Versorgungssicherheit โ mittels neuer Strukturen zu lรถsen.
Dabei dreht sich nicht alles um die Frage, wie Strom, Wรคrme und Kรคlte kรผnftig hergestellt und gespeichert werden, sondern ebenso um das Wo. Insbesondere bei der Versorgung mit regenerativer Energie fรผhrt die eine Frage nรคmlich zur anderen. Warum das so ist? Weil Solartechnologie, Wind, Biomasse und Geothermie fรผr die Nutzung auf lokaler Ebene prรคdestiniert sind.
Folgen der dezentralen Energieversorgung
Denkt man an klassische Energieversorgung, hat man oft das Bild einer Industrieanlage und weitreichender Starkstromleitungen vor Augen. Im Gegensatz dazu, kommen bei der dezentralen Energieversorgung kleine Anlagen in unmittelbarer Nรคhe zu Verbrauchern zum Einsatz. Dadurch entstehen neue Anforderungen an Netzbetrieb, Energiemanagement und Schutztechnik. Dezentrale Anlagen speisen ihren Ertrag mal in ein รถffentliches Netz ein, mal dienen sie der eigenen Versorgung oder sie funktionieren im sogenannten Inselnetz. Entscheidend bei der Nutzung der Begrifflichkeit ist meist die Netzebene.
Was bedeuten die Netzebenen?

Zu den Erzeugern gehรถren Wรคrme-Kraft-Kopplungs-Anlagen (WKK) fรผr die Strom- und Wรคrmeproduktion ebenso, wie Stromerzeugung durch Photovoltaik oder kleinere Windenergieanlagen.
Ein Erzeuger kann Einzugsgebiete verschiedener Grรถssen โ beispielsweise regional oder kommunal โ versorgen. Eine PV-Anlage wiederum kann fรผr ein Nachbargebรคude als auch fรผr ein ganzes Areal produzieren.
Die Vorteile der dezentralen Versorgung liegen generell bei der effizienteren Nutzung sogenannter Primรคrenergie. Darunter fรคllt der Energiegehalt, der in natรผrlich genutzten Quellen zur Verfรผgung steht. Sinnvollerweise wird dieser Effekt verstรคrkt durch Bemรผhungen, den Energieverbrauch zu senken, um damit etwa CO2-Emissionen und auch Kosten einzudรคmmen.
Dezentrale Energieerzeugung erfordert eine Transformation von bestehenden, zentralen Systemen, hin zu einer verbrauchernahen Energieproduktion durch neue Akteure, mit neuen Geschรคftsmodellen sowie innovativen technischen Strukturen.
Kommt der Energieversorger der Zukunft von nebenan?
Wer in die genannten Anlagen investiert, ist nicht an die รผblichen Betriebsstrukturen gebunden, sondern kann grundsรคtzlich flexibler handeln. Grundsรคtzlich steht es jeder und jedem offen, sich finanziell zu beteiligen. Schliesslich ist das projektbezogene Investitionsvolumen geringer, als dies bei Einspeisern รผbergeordneter Ebenen der Fall ist. Als Investoren und Betreiber kommen folglich nicht nur Energieversorger in Frage, auch Energieabnehmer oder Contractors sind denkbar. Letztere รผbernehmen als Energiedienstleister in der Regel auch die Umsetzung von Energieeinsparmassnahmen. Sie sind zustรคndig fรผr die Planung, Finanzierung, Umbau, Betrieb und Wartung sowie fรผr die Instandhaltung der neuen Anlagen, bis hin zum Energiemanagement. Der Charakter lokaler Anlagen sorgt fรผr eine Art Demokratisierung in der Energieversorgung.
Energieautarkes Wohnen ยซAm Aawasserยป
Ein Beispiel ist die Siedlung ยซAm Aawasserยป in Buochs. Sie wird nicht nur durch eine PV-Anlage, sondern durch ein eigenes Kleinwasserkraftwerk mit Strom versorgt. Im Jahresschnitt produziert die Siedlung 70 Prozent mehr Strom als sie verbraucht. Betreiber ist ein Contractor.
Die Liberalisierung des Strommarkts kommt somit in alternativer Form auf uns zu. Gerade die virtuellen Zusammenschlรผsse zum Eigenverbrauch (ZEV) begรผnstigen, dass sich Konsumenten auf lokaler Ebene โ nicht nur unter dem gleichen Dach โ das ganze Jahr hindurch mit Strom versorgen kรถnnen.
Der Aspekt der hundertprozentigen Versorgungssicherheit darf gerade in den kรคlteren Monaten nicht ausser Acht gelassen werden. Eine solche Ausfallversicherung kรถnnte mittels neuer Tarifsysteme fรผr Hausanschlรผsse berรผcksichtigt werden. Dennoch stehen Netzbetreiber vor einem Interessenkonflikt. Sollen sie die Umsetzung lokaler Geschรคftsmodelle begรผnstigen, wobei Energieproduzenten und Contractors profitieren? Oder sollen sie alles unternehmen, um die Refinanzierung des eigenen Netzes sicherzustellen?
Mehr Arbeitsplรคtze im lรคndlichen Raum
Die potenzielle Vielfalt neuer Akteure bedeutet auch eine Chance zur lokalen Wertschรถpfung. So entstehen neue Entwicklungspotenziale, von denen insbesondere auch der lรคndliche Raum profitiert.
Die Windindustrie in Deutschland schafft beispielsweise viele Arbeitsplรคtze. Im Jahr 2016 war eine Rekordzahl von 164โ500 Menschen in der Windbranche beschรคftigt. Davon 29โ800 Menschen im Bereich Offshore- und 134โ700 Menschen im Bereich Onshore-Windenergie. Auf dem Land sind grundsรคtzlich doppelt so viele Personen in der regenerativen Stromerzeugung tรคtig, wie in der Stadt. Damit kรถnnte die dezentrale Energieversorgung gewissermassen der Landflucht entgegenwirken โ zumindest ein wenig.
Der Blick nach Deutschland zeigt, dass traditionelle Energieversorger nur gering an der Produktion regenerativen Stroms beteiligt sind. Ihr Anteil an der Produktion im Jahr 2019 betrug lediglich sechs Prozent. Bei den Investitionen in dezentrale Anlagen dominieren private Haushalte, Landwirtschaftsbetriebe, Bรผrgerenergiegenossenschaften und institutionelle Kapitalanleger.
Potenzielle Reduktion der Auslandabhรคngigkeit
Ein willkommener Effekt der dezentralen Energieversorgung ist auch die Senkung politischer und wirtschaftlicher Abhรคngigkeit. In der Schweiz wird der Gesamtenergieverbrauch zu grossen Teilen mittels Erdรถlprodukte, Erdgas und Kernbrennstoffen gedeckt. Die meiste Energie in Form von Strom wird grundsรคtzlich im Inland produziert. Fรผr die Stromproduktion im Inland werden fast ausschliesslich Kernbrennstoffe importiert. Der in der Schweiz verwendete Strommix gilt generell als CO2-arm. Betrachtet man hingegen den Gesamtenergieverbrauch, so werden nahezu drei Viertel mittels Erdรถlbrennstoffen, Erdรถltreibstoffen, Gas und weiteren Energietrรคgern gedeckt. Es wird also Primรคrenergie verwendet, auf welche ein grosser Anteil des Ausstosses an Treibhausgasen zurรผckgeht. Der Lรถwenanteil dieser Energietrรคger wird importiert, wobei laut der Schweizerischen Energie-Stiftung SES zehn Milliarden Franken pro Jahr ins Ausland abfliessen. Bei der Deckung des Energiebedarfs entstehen Abhรคngigkeiten von Rohรถl-Exporteuren wie Nigeria, Libyen oder Kasachstan.
Das detaillierte Energieflussdiagramm der Schweiz zeigt auf, wie wir unseren Energiebedarf, ausgedrรผckt in Terrajoule (TJ), decken. Lediglich wรคhrend der Pandemie verzeichneten die fossilen Treibstoffe einen Rรผckgang: Der Benzinverbrauch ging um 11,4 Prozent zurรผck, der Dieselverbrauch um 5,2 Prozent und die Menge des verwendeten Flugtreibstoffs um 62,2 Prozent.
Welche Arten von dezentralen Versorgungsstrukturen gibt es?
Weil dezentrale Versorgungssysteme zur Versorgung verschiedener Abnehmer โ vom Einfamilienhaus bis zu einer ganzen Stadt โ eingesetzt werden kรถnnen, sehen die Versorgungsstrukturen unterschiedlich aus. Welche Versorger sich wie und wo fรผr die Produktion eignen, ist mitunter abhรคngig vom Lastgang und der schwankenden Produktion.

Um Schwankungen entgegenzuwirken, bieten sich Energiespeicher und die Nutzung von Anlagen mit planbaren Produktionsvolumina an.
Das ergibt auch deswegen Sinn, weil der Lastgang je nach dem zu versorgenden Gebiet unterschiedlich ist. Der elektrische und thermische Energieverbrauch differiert je nach Abnehmer (Wohnungen, Gewerbe, Industrie).

Welche Begriffe muss man im Zusammenhang mit dezentraler Energieversorgung kennen?
Bilanzkreis
Ein Bilanzkreis fasst eine beliebige Zahl von Einspeise- und Entnahmestellen zusammen. Die fรผr den Bilanzkreis zustรคndige Instanz sorgt anhand von Prognosen dafรผr, dass die Leistungsbilanz (innerhalb des Kreises) ausgeglichen ist. Abweichungen werden bei einer Unterspeisung durch den Betreiber des รbertragungsnetzes verrechnet.
Entscheidend sind grundsรคtzlich die Kosten, welche durch den Einsatz von Regelenergie entstehen. Wenn der Bilanzkreisverantwortliche auch fรผr eine eigene Anlage zur dezentralen Energieversorgung zustรคndig ist, kann er diese nutzen, um die Abweichungen zu minimieren. Dies trรคgt zur Wirtschaftlichkeit des Versorgungssystems bei.
Die Betriebsfรผhrung ist komplex โ insbesondere, wenn verschiedene Erzeuger-, Speicher- und Verbraucherstrukturen zum Einsatz kommen.

Virtuelle Kraftwerke
Ein virtuelles Kraftwerk fasst voneinander unabhรคngig produzierende Erzeuger zusammen. Gegen aussen wirken sie dank dieser Bรผndelung als Einheit. Fรผr diesen Zweck setzt die Erzeugergesellschaft auf ein รผbergeordnetes System fรผr das Energiemanagement. Dieses sorgt dann fรผr Massnahmen wie die Lastabschaltung, Lastverschiebung oder die Ansteuerung von Speichern. Solche virtuellen Kraftwerke kรถnnen in Zukunft einen Beitrag fรผr Energiebereitstellung und -Handel leisten. Entscheidend fรผr die Umsetzung sind insbesondere rechtliche Rahmenbedingungen โ welche sich durch die Liberalisierung des Strommarktes grundlegend verรคndern kรถnnten.
Mikro-Netze (Microgrids / Arealnetze)
Als Microgrids verstehen sich Netze, welche die abschliessende, dezentrale Energieversorgung sicherstellen kรถnnen. Sie sind im Normalbetrieb durch definierte Schnittstellen mit dem konventionellen Netz verbunden. Die Betreiberschaft trรคgt fรผr das Versorgungsgebiet eine รคhnliche Verantwortung, wie klassische Energieversorgungsunternehmen. Um Totalausfรคllen und Nichtverfรผgbarkeit entgegenzuwirken, bleiben sie mit dem รผberlagerten Netz verbunden.
Umgekehrt kรถnnen sich die Systeme vom รผberlagerten Netz zumindest vorรผbergehend abkoppeln und dabei die Selbstversorgung gewรคhrleisten. Das setzt eine hochdynamische Regelfรคhigkeit, dezentrale Regelkonzepte sowie die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie voraus. Gleichzeitig kรถnnen Systeme รberschรผsse an Netzpartner verkaufen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Verschiedene Stromspeicher kรถnnen dabei sicherstellen, dass Schutzsysteme ansprechen und Motoren ยซanspringenยป.
Beispiele fรผr dezentrale Energiesysteme
Warum sollen Strom und Wรคrme in einem dezentralen Energiesystem gemeinsam betrachtet werden?
Stark vereinfacht kรถnnen wir uns das Energiesystem in einem Dreieck verschiedener Energieformen denken:
- Elektrische Energie (Strom)
- Thermische Energie (Wรคrme)
- Chemische, beziehungsweise fossile Energie (Gas, รl, Kohle)
Diese Energieformen kรถnnen ineinander รผbergefรผhrt werden. Bei der Analyse dieser Umwandlungspfade ergeben sich jedoch betrรคchtliche Unterschiede bezรผglich des Wirkungsgrades. Die zentrale Frage ist also, wann, wo und in welcher Form die Energie zur Verfรผgung gestellt werden muss, damit der Heiz-, Mobilitรคts- und Strombedarf abgedeckt werden kann. Zwei Technologien zeichnen sich durch besonders gรผnstige Pfade aus:
- Durch die Elektrifizierung der individuellen Mobilitรคt kann die eingesetzte Energiemenge massiv reduziert werden (um den Faktor 3)
- Durch den grossflรคchigen Einsatz von Wรคrmepumpen kรถnnen drei Einheiten Wรคrme pro elektrisch eingesetzte Energieeinheit erzeugt werden (Coefficient of Performance, respektive COP 3).
Was aber ist nun ยซdasยป ideale System auf Haus-, Quartier-, Stadt- oder Landesebene? Und mit welchen Systemgrenzen und Optimierungskriterien soll eine Systemoptimierung vorgenommen werden? Die Auswahl und das Zusammenspiel (Stichwort Sektorkopplung) dieser Systemkomponenten sind keine trivialen Angelegenheiten. Denn es gilt, insbesondere auch die รถkonomischen Aspekte und technologischen Entwicklungspotentiale zu berรผcksichtigen. Auch die CO2-Vermeidungspotentiale sind in den Abwรคgungen miteinzubeziehen. Eine isolierte Betrachtung einer Energieform wรคre zwar einfacher, lรคsst aber nicht zu, dass das volle Potential ausgeschรถpft wird.
Szenarien und Tools fรผr die Auslegung von dezentralen Energiesystemen
In der Schweizer Forschungslandschaft wurden in den letzten Jahren insbesondere durch die Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCERs) Fortschritte erzielt. Seit 2022 ist deren Kontinuitรคt innerhalb des sogenannten SWEET Programms sichergestellt.
Aus diesen Kompetenzzentren sind Tools und Methoden entstanden, die es erlauben, Systeme auf verschiedenen Ebenen zu modellieren und Szenarien zu entwickeln. So sollen zukรผnftige Energielandschaften abgebildet werden. Zudem helfen die Tools und Szenarien, Risiken bei Investitionsentscheidung besser bewerten zu kรถnnen.
Folgende Projekte leisten dazu einen Beitrag:
- ReMaP: Renewable Management and Real-Time Control Plattform
- Nexus-e: Integrated Energy Systems Modelling Platform
- PATHFNDR: PATHways to an Efficient Future Energy System through Flexibility aND SectoR Coupling (ab Februar 2022)
Es bleibt festzuhalten, dass dezentrale Ansรคtze in allen relevanten Szenarien vorzufinden sind.
Welche Rolle spielen Netze, Kommunikationssysteme und IT?
Der Einsatz von dezentralen Erzeugungsanlagen beeinflusst den Betrieb und die langfristige Planung der elektrischen Energieversorgungsnetze. Die verbrauchsnahe Einspeisung wird zu Verรคnderungen des Lastflusses und zu Rรผckspeisungen in die รผbergelagerten Netze fรผhren.
Wรคhrend das รbertragungsnetz โ in der Schweiz betrieben von Swissgrid โ schon hochaufgelรถst und in Echtzeit gemessen, รผberwacht und gesteuert wird, ist das elektrische Verteilnetz (Netzebene 7) praktisch nicht automatisiert. Das heisst, die Netze sind statisch ausgelegt und Lastflรผsse sind nicht in Echtzeit einsehbar.
Schutzelemente sind zwar zu grossen Teilen automatisiert, jedoch gab es bis jetzt keine Anreize dafรผr, das Verteilnetz in hoher Granularitรคt zu messen und zu steuern. Der Anspruch an Echtzeittransparenz wรคchst jedoch zum einen durch den grossflรคchigen Einsatz von neuen Energieerzeugungsanlagen, zum anderen durch die zunehmende Verbreitung von Elektromobilitรคt und Wรคrmepumpen. Denn Spannungshaltung und Spannungsqualitรคt mรผssen weiterhin gewรคhrleistet werden kรถnnen. Lokale Netzengpรคsse, Lastspitzen- sowie Blindleistungsรผberschreitungen mรผssen vermieden werden, um einem extensiven Ausbau der Netzinfrastruktur vorzubeugen. Grundsรคtzlich trรคgt Informations- und Kommunikationstechnologie dazu bei, Lรถsungen fรผr diese Herausforderungen umzusetzen.
Vorrangig selbst erzeugte Energie nutzen
Neben einer hรถheren Auflรถsung der Echtzeitdaten, muss die Bereitstellung, Analyse und Verarbeitung dieser Daten auf verschiedenen Ebenen erfolgen.
Hier kommt den Energiemanagementsystemen (EMS) eine entscheidende Bedeutung zu. EMS sind Anlagen, die eingebundene Verbraucher, Speicher und Erzeuger steuern. Sie stellen die systematische Beschaffung, Wandlung, Verteilung und Nutzung von Energie sicher. Durch die Koordination und Automation werden sowohl wirtschaftliche als auch nachhaltige Ziele verfolgt. So zielt die Optimierung beispielsweise darauf ab, einen mรถglichst hohen Eigenverbrauchsgrad zu erreichen. Innerhalb des gesteuerten รkosystems wird dabei mรถglichst viel eigens produzierte Energie verbraucht oder Energie zu niedrigen Tarifen bezogen. EMS kรถnnen somit technische, aber auch wirtschaftliche Probleme adressieren.
Dazu gehรถren auch die Optimierung von Lastflรผssen an Knotenpunkten nach definierten Kriterien und der Einbezug sowie die Bereitstellung von Flexibilitรคten. EMS kรถnnen dabei zentral oder dezentral und in verschiedenen Komplexitรคtsausprรคgungen zur Verfรผgung stehen.
An der Stelle ein Hinweis: (Energiemanagement-)Systeme sind nicht zu verwechseln mit der Organisation des betrieblichen Energiemanagement nach der Norm DIN EN ISO 5000. Die Anlage kann aber zu deren Umsetzung (technische Steuerung, Monitoring) beitragen.
Besserer Datenaustausch erleichtert Lastensteuerung
Grundsรคtzlich kommt der Interoperabilitรคt und den Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen und Akteuren eine Schlรผsselrolle zu. Die Kernfrage lautet: Wie kommunizieren dezentrale Energiesysteme auf verschiedenen Ebenen untereinander und wie kรถnnen deren Flexibilitรคten genutzt werden? Welche Standards sollen dabei eine Rolle spielen? Und welche Anreizsysteme gibt es, um diese Entwicklung zu ermรถglichen?
Der 2019 gegrรผndete Verein SmartGridReady hat sich dieser Herausforderung verschrieben und ein Label fรผr beteiligte, aktive Komponenten geschaffen. SG Ready schlรคgt ein Stufenmodell vor. Aktive Gerรคte sollen Flexibilitรคt in der Abstufung von 1 bis 6 bereitstellen kรถnnen. Stufe 1 reagiert dabei auf ein diskretes on/off Signal und Gerรคte der Stufe 6 kรถnnen ihr Verhalten anhand eines Zeitprofils (beispielsweise anhand prognostizierter Werte) hochdynamisch steuern. Die Gerรคte kรถnnen so in EMS eingebunden werden, womit die Steuerung von Lasten begรผnstigt wird.
Derzeit stehen wir am Anfang der Entwicklung. Zwar sind technische Systeme weitgehend verfรผgbar. Aber ein ineinandergreifendes, intelligentes System, basierend auf hochaufgelรถsten Daten und verbunden mit intelligenten, selbstoptimierenden Regelalgorithmen ist grรถsstenteils Zukunftsmusik. Klar ist heute, dass Netzinfrastruktur, Kommunikationstechnologie und IT wichtiger Enabler auf dem Weg zu dezentralen Energiesystemen sind. Unklar ist allerdings, welche Ansรคtze sich am Ende durchsetzen werden und mit welchen Geschรคftsmodellen sich gegebenen Anreizsysteme ausnutzen lassen.
Wirtschaftlichkeit dezentraler Anlagen
Aus Investorensicht sind Anlagen dann wirtschaftlich, wenn die Einnahmen aus dem Energieverkauf laufende Kosten sowie den Kapitaldienst (Zins- und Tilgungskosten der Investition) decken kรถnnen. Dies wird mit der statischen Wirtschaftlichkeitsrechnung ermittelt. Man unterscheidet zwischen:
- Kapitalgebundenen Kosten (รผber Nutzungsdauer unter Berรผcksichtigung der Zinsen)
- Verbrauchsgebundenen Kosten (unter Berรผcksichtigung der Energietrรคger)
- Betriebskosten (fรผr Personal, Verwaltung etc.)
- Weiteren, รผbrigen oder betriebsfremden Aufwรคnden
Alternativ zur statischen Berechnung kommt auch die sogenannte Annuitรคtenmethode zum Einsatz. Damit wird der Faktor Zeit besser berรผcksichtigt. So kann sich beispielsweise die Liquiditรคt und die Gewinnentwicklung je nach Zeitraum verschieden entwickeln.
Die Kapitalwertmethode oder die interne Zinsfuss-Methode berรผcksichtigt zusรคtzlich den รผber die Abschreibungsdauer festgelegten, kalkulatorischen Zinssatz (um das eigene Kapital ยซfiktivยป zu verzinsen). Im Gegensatz zur Return on Investment-Methode wird man so auch dem Zeitpunkt von Ein- und Auszahlungen oder der Preisentwicklung gerecht.
Wieviel kostet welcher Strom?
Um (aus Abnehmer- aber auch aus Anbietersicht) eine relativ einfache Vergleichbarkeit unter den Erzeugungsanlagen zu gewรคhrleisten, kรถnnen die Stromgestehungskosten (LCOE) ermittelt werden. Die Methode der Levelized Costs of Electricity (LCOE) ermรถglicht es, Kraftwerke unterschiedlicher Erzeugungs- und Kostenstruktur miteinander zu vergleichen. Die Stromgestehungskosten ergeben sich aus der Gegenรผberstellung aller รผber die Lebensdauer der Anlage fรผr die Errichtung und den Betrieb der Anlage anfallenden Kosten und der Summe der erzeugten Energiemenge รผber die Nutzungsdauer. Die Berechnung kann entweder auf Grundlage der Kapitalwertmethode oder der Annuitรคtenmethode erfolgen.
Das Fraunhofer Institut berechnet in einer Kadenz von rund drei Jahren die Stromgestehungskosten fรผr Erzeugungsanlagen in Deutschland und ermรถglicht die heutige Vergleichbarkeit der Technologien โ und geht dabei noch einen Schritt weiter und macht Projektionen in die Zukunft, mit Annahmen bzgl. Technologielernkurven.
Interessanterweise weist die Studie von Juni 2021 bereits aus, dass die Konkurrenzfรคhigkeit von dezentralen Anlagen bezogen auf die Stromgestehungskosten gegenรผber den zentralen Grossanlagen durchaus gegeben ist.

Einpreisung der Verfรผgbarkeit โ Speicherbarkeit
Neben den positiven wirtschaftlichen Entwicklungen der dezentralen Erzeugungsanlagen ist der Aspekt der (verminderten) Verfรผgbarkeit respektive der volatilen Energieproduktion ein Aspekt, der nicht unkommentiert gelassen werden kann. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die auf fossilen Brennstoffen betriebenen Grossanlagen in Punkto Versorgungssicherheit einen Vorteil haben (Siehe Trilemma, in diesem Fall zu relativieren durch den reduzierten CO2-Ausstoss).
Nichtsdestotrotz wird uns das Thema Speicherung noch umtreiben. Hier hat sich aus รถkonomischer Sicht einiges bewegt. Es ist ausserdem davon auszugehen, dass dieser Trend anhรคlt und es mit bestehenden Speichertechnologien wirtschaftlich mรถglich ist, den in den Sonnenstunden produzierten Strom vermehr in der Nacht zu nutzen
In Sachen saisonaler Speicherung gibt es noch grรถssere Unklarheiten โ vor allem aus wirtschaftlicher Sicht. So ist es technisch machbar, dass nicht gebrauchter Strom in Wasserstoff oder auch andere gasfรถrmige oder flรผssige Energietrรคger umgewandelt wird. Da die Rentabilitรคt solcher investitionsintensiven Elektrolyseanlagen erst bei einer hohen Anzahl an Betriebsstunden gegeben ist, kann heute beobachtet werden, dass solche Anlagen vorwiegend an Orten installiert werden, wo auf Bandstrom zurรผckgegriffen werden kann und Netzanschlusskosten vermieden werden kรถnnen.
Unabhรคngig davon, welche saisonale Speichertechnologie sich durchsetzen wird: Es braucht einen massiven Ausbau an erneuerbaren Energien, die in einem ersten Schritt verbrauchernah erzeugt und konsumiert werden.
Ausblick: Wie geht es mit der Dezentralisierung weiter?
Aufgrund der Dekarbonisierung und dem Ausstieg aus der Atomkraft kommen beteiligte Akteure unter Druck, Geschรคftsmodelle zu transformieren. Einerseits formulieren die Gesetzgeber ambitioniertere Klimaziele und anderseits fรถrdern und fordern sie den Wandel hin zur Nutzung erneuerbarer Energien.
Ein aktuelles Beispiel aus รsterreich: Seit dem Inkrafttreten des Erneuerbaren Ausbau Gesetztes (EAG) kรถnnen sich Privathaushalte oder Gewerbler zusammenschliessen und PV-Anlagen fรผr den Eigenverbrauch betreiben. Verteilnetzbetreiber haben deshalb eine regelrechte Grรผnderwelle von Energiegemeinschaften erwartet.
So setzt bei den Abnehmern ein wachsendes Bewusstsein fรผr die Dringlichkeit eines Wandels ein. Gleichzeitig macht sich auch bei ihnen der Druck durch Regulatorien bemerkbar. Im Gegenzug werden die Transformationskosten teils mittels Fรถrderungen subventioniert. Beschleunigt wird der Wandel auch dadurch, dass Investoren zunehmend auf nachhaltigere Portfolios setzen, weshalb sie die โ neu dezentralen โ Anlagen mitfinanzieren.
Gefragt sind intelligente Steuerungen
Vorreiter im Markt nutzten die Gunst der Stunde gezielt und bieten innovative Versorgungssysteme an, wobei auch digitale Angebote entstehen. Im Bereich der digitalen Plattformen und Lรถsungen kรถnnten sich verschiedene Anbieter von EMS in allen Kategorien hervortun. So umfasst der Markt ein breites und komplexes Spektrum an Energieerzeugern und Speichern, das flexibel gesteuert werden muss.
Bezogen auf einzelne Erzeuger dรผrfte sich die Wรคrmepumpe zu einem Spitzenreiter entwickeln (wobei sie selbst auch ein Stromverbraucher ist). Fรผr klassische EVU besteht eine Wachstumschance darin, dezentrale Energiesysteme flรคchendeckend(er) und integriert anzubieten. Das bedeutet beispielsweise die Mitberรผcksichtigung der E-Mobilitรคt Vehicle-to-Grid (V2G). Planer und das Handwerk werden zudem vermehrt auf Plug-and-Play-Lรถsungen (Produktbรผndel) und digitale Tools fรผr die bessere Planung und Montage setzen. Auch fรผr den Vertrieb gibt es neue Wege. Dieser kรถnnte vermehrt digital erfolgen.
Diesbezรผglich kรถnnen Simulationen oder Besichtigungen von Muster-Quartieren und -Objekten (quasi als eine Art Schaufenster fรผr Intelligente Energie) den allgemeinen Absatz fรถrdern, indem sie das Thema greifbar machen.
Fazit
Geht es darum, unsere Klimaziele zu erreichen, fรผhrt kein Weg an der dezentralen Energieversorgung vorbei. Die notwendigen Technologien, Lรถsungsansรคtze und Erfolgsbeispiele sind vorhanden. Nun gilt es, diese sichtbar zu machen und dezentrale Systeme zu implementieren. So wird unsere Gesellschaft unabhรคngiger, resilienter und nachhaltiger.